Reiten & der Beckenboden nach Geburt
Heute verrate ich dir was beim Reiten mit den Muskeln in deinem Beckenboden passiert. Vielleicht bist du gerade selber Mama geworden und fragst dich wann und wie du wieder mit deine geliebten Sport anfangen darfst oder solltest.
Reiten ist für mich mit keiner anderen Sportart vergleichbar. So komplex und so wunderschön, wenn Reiterin und Pferd eins werden. Doch hierfür bedarf es einer guten Reiterin. Und eine gute Reiterin zeichnet sich unter anderem durch einen guten Sitz aus, dieser Wiederrum zeichnet sich durch Stabilität und Flexibilität aus. Vor allem im Bereich Beckenboden und Körpermitte (Core).
Also ist Reiten das perfekte Training für den Beckenboden nach einer Geburt? Nein, dass kann man so leider nicht sagen. Den hierfür sollte der Beckenboden „arbeitsfreudig“ und das Zusammenspiel der Core Muskulatur ausgeglichen sein. Das heisst auch Reiterinnen können nicht auf postpartales (nach der Geburt) Beckenboden Training verzichteten, den Dysfunktionen (zum Beispiel Inkontinenz) der Beckenbodenmuskulatur lassen nicht nicht einfach durch Reiten beheben (Studie; Carboni 2014).
Was bedeutet ein „arbeitsfreudiger“ Beckenboden?
Die Muskulatur des Beckenbodens hat folgende Aufgaben:
- Anspannen (z.B.: zur Kontinenzsicherung)
- Entspannen (z.B.:Entleeren der Blase, Enddarms)
- Reflektorisch Gegenhalten (z.B.: beim Niesen, Husten und Lachen, aber auch beim Reiten nicht unwichtig).
Kann die Beckenbodenmuskulatur eine dieser Aufgaben nicht mehr oder nur eingeschränkt wahrnehmen ist er nicht mehr voll „arbeitsfreudig“.
Je nach Gangart (und Veranlagung des Pferdes) variieren die Bewegungsanforderugen an den Sitz der Reiterin stark. Dabei begleitet und gleicht das Becken nicht nur Auf- und Ab, Rechts- und Links- sondern auch Vor-und Zurück- Bewegungen aus.
Im Trab und Galopp federt der Beckenboden zum Beispiel vertikale Stöße ab (also auf – und ab Bewegungen) und hat die Aufgabe eines elastischen, aber festen Trampolins, das die inneren Organe sicher trägt. Die Beckenbodenmuskulatur wird also durch die verschiedenen Bewegungen beim Reiten aktiviert.
Die Reiterin und der Rücken des Pferdes schwingen harmonisch miteinander, zumindest ist das das Ziel (oder sollte es sein). Feine Hilfengebung erfordert eine Reiterin die ausbalanciert und geschmeidig sitzt, deren Hilfen (Gewichtsverlagerung, Schenkeldruck, Zügelhilfen,..) zielgerichtet angekommen.
Ein unabhängiger Sitz bedarf eines guten Zusammenspiels zwischen Beckenboden und Muskelkorsett.
Nach einer Geburt (vaginal oder Kaiserschnitt) ist der Beckenboden erstmal nicht in der Lage dazu. Er ist erschöpft (egal wie du entbunden hast, deine Schwangerschaft hat er mitgetragen). Vielleicht ist er sogar verletzt und muss erstmal heilen.
Deine Beckenbodenmuskulaur wird bei einer vaginalen Geburt um das 3fache gedehnt (jeder andere Muskel würde hier reißen). Auch das Bindegewebe wurde entsprechend stark gedehnt.
Nach einer Knie-OP rennst du ja auch nicht gleich wieder einen Marathon sondern fängst mit einem gut durchdachten Rehatraining an. Und für deinen Beckenboden entspricht dies einem guten Rückbildungstraining.
Hier lernst du idealerweise nicht einfach nur den Beckenboden anzuspannen und zu entspannen sondern auch wie du ihn reflektorisch trainierst. Wie du deine Atmung einsetzt und dein Muskelkorsett wieder rehabilitierst (ja auch deine Bauchmuskeln brauchen besondere Pflege).
Aus osteopathischer Sicht würde ich sogar noch einen Schritt weitergehen. Nicht nur die Muskulatur des Beckens ist von Bedeutung für deinen ausbalancierten Sitz, auch das knöchernde Becken spielt eine entscheidende Rolle.
Wie steht das Becken nach vorne oder nach hinten geneigt (anterior oder posterior)? Gibt es Dysfunktionen der Symphyse? Auch sollte man sich das Sacrum anschauen gerade nach Geburten findet sich hier die ein oder andere Dysfunktion. Beim Reiten ist zudem die Beweglichkeit der Hüfte wichtig (dies kann und sollte auch in der Rückbildung beachtet und verbessert werden). Aber auch die Mobilität im Sprunggelenk, also zusammengefasst alles war den Sitzt positiv oder negativ beeinflussen kann. Das liebe ich an der Osteopathie, alles ist mit allem verbunden.
Checkliste für Reiterinnen nach Geburt:
- Wochenbett genießen
- Einen guten Rückbildungskurs besuchen (ich weiss das sage ich oft, aber leider gibt es immer wieder auch sehr schlechte)
- Lasse dich von einem/ einer OsteopathenIn durchchecken
- Regelmäßige Beckenbodenübungen in deinen Alltag integrieren
- Alltagsverhalten anpassen
- Nach der Rückbildung ist vor dem Beckenbodenaufbaukurs
- Bei anhaltenden Beckenboden-Problemen (oder Schmerzen) empfiehlt sich der Besuch bei einer spezialisierten Beckenboden-Physiotherapeutin
Im Zweifel suche bitte immer einen Arzt auf (und oder deine Hebamme).
Fazit: Reiten ersetzt keinen guten Rückbildungskurs und auch kein ergänzendes Beckenboden Training. Aber für einen gut trainierten Beckenboden ist es ein tolles Zusatztraining.
Literaturnachweise
Agur W et al.: Does antenatal pelvic floor muscle training affect the outcome of labour? A randomised controlled trial. International Urogynecology Journal 2008. 19(1): 85
Aran T et al.: Failed labor induction in nulliparous women at term: the role of pelvic floor muscle strength. Int Urogynecol Journal 2012. 23(8)
Bø K et al.: Too tight to give birth? Assessment of pelvic floor muscle function in 277 nulliparous pregnant women.International Urogynecology Journal 2013. 24(12)
Carboni C et al.: Effectivness of horseback riding in the management of pelvic floor dysfunctions. International Journal of Health and Rehabilitation Sciences 2014. 3(1)