Was ist ein Pessar?

Pessare in der Beckengesundheit (von Alexandra Schäfer; PGCertPhysio)

Pessare sind medizinische Hilfsmittel, die in die Scheide eingeführt werden. Pessare werden auch zur Verhütung eingesetzt, ich beziehe mich in diesem Artikel allerdings auf die Behandlung von Beckenorgansenkungen.

Das Wort Pessar stammt aus dem altgriechischen (pessón – Stützstein). Schon die alten Ägypter und Griechen haben Pessare benutzt und sie werden sogar in der ältesten Version des Hippokrates Schwurs erwähnt. Es wurde verschiedene Materialien dazu benutzt wie zum Beispiel eine Granatapfelhälfte, getränkte Tücher, Pessare aus Ton, Blech oder Kork. Heute werden Pessare vorwiegend aus medizinischem Silikon oder Kunststoff hergestellt.

Fakten zur Senkung

  • Eine Senkung bedeutet, dass sich eines oder mehrere der Beckenorgane (Blase, Gebärmutter und Enddarm) nach unten absenken.
  • Dieses Absinken kann passieren, wenn die Haltestrukturen (Bindegewebe, v. a. Bänder und Faszien) die Organe nicht mehr ausreichend unterstützen und / oder die Beckenbodenmuskulatur nicht mehr stark genug von unten stützt.
  • Senkungen kommen sehr häufig vor. Ungefähr 50 % aller Frauen sind davon betroffen.
  • Das Risiko eine Senkung zu entwickeln, erhöht sich z. B. mit Geburtsverletzungen, Bindegewebsschwäche, chronischer Verstopfung und Übergewicht.
  • Senkungen beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen sehr.
  • Viele hören auf Sport zu treiben und es besteht ein hohes Risiko dadurch Folgeprobleme zu entwickeln wie z. B. Gewichtszunahme und Probleme mit der Knochenmineraldichte.

Symptome einer Senkung

Um eine Diagnose zu stellen, müssen sowohl die klinischen Anzeichen in einer Untersuchung gefunden werden als auch Symptome vorhanden sein sollten! Aus zahlreichen Studien wissen wir, dass wenn bei Routineuntersuchungen auf Senkung untersucht wird (POP-Q), wird bei vielen Frauen eine Veränderung der Organposition festgestellt, ohne dass diese je Probleme machen muss. Eine Senkung kann im Schweregrad auch sehr variieren, je nach Tageszeit und vorheriger Belastung. Typische Symptome sind:

  • Das Gefühl einer Wölbung im Scheidenbereich oder ein Fremdkörpergefühl (wie ein verrutschter Tampon)
  • Druck, Schweregefühl oder Ziehen im Bereich des Beckens
  • Schmerz im unteren Rücken und Kreuzbein oder Regelschmerzen
  • Probleme bei der Stuhlentleerung, z. B. Dammunterstützung mit der Hand oder vaginaler Druck zur Stuhlentleerung notwendig
  • Probleme bei der Blasenentleerung, z. B. veränderter Harnstrahl, Schwierigkeiten beim Entleeren, Restharn, Drangprobleme, Nachtröpfeln, Brennen etc.
  • Harninkontinenz
  • Häufigere Harnwegsinfektionen

Behandlung von Senkung

  1. Beckenbodentraining (Beckenbodenrehabilitation) und Management im Alltag (wie Gewichtskontrolle, Einsatz der Beckenbodenmuskulatur im Alltag, Blasentraining, Modifikation im Sport wenn nötig, Optimierung von Blasen- und Darmentleerung etc.)
  2. Pessartherapie: Dazu mehr weiter unten.
  3. Operation: Ungefähr 10 – 20 % benötigen eine Operation für ihre Senkung. Die Erfolgsrate variiert stark und ist abhängig von Faktoren wie der Beckenbodenfunktion, Bindegewebe und Gewohnheiten im Alltag. In einer Studie, in der das Ergebnis bei 5082 Patientinnen untersucht wurde, lag die Misserfolgsrate bei 36 %.

Pessare zur Behandlung von Senkungen

In einem Cochrane Review von 2020 wurden das Ergebnis von 4 Studien mit insgesamt 478 Frauen, die unterschiedliche Senkungsgrade hatten, zusammengefasst. Dort heißt es, dass vaginale Pessare eine Behandlungsoption sind bei Senkungen, die die normale Position der Organe wiederherstellt und dadurch die Symptome lindert. Pessare können für alle vier Senkungsstadien benutzt werden. Diesen Punkt finde ich wichtig, denn ich höre oft als Begründung warum ein Pessar nicht angebracht ist, dass die Senkung zu leicht oder zu schwer, teilweise heißt es die Patientin ist zu jung oder zu alt.

Die Schlussfolgerung des Reviews ist: „Wir sind und nicht sicher, ob Pessare die Symptome einer Beckenorgansenkung verbessern im Vergleich zu keiner Behandlung oder Beckenbodentraining.“ Die Beweislage für diese Aussage wird als niedrig eingestuft. Weiterhin heißt es: „Pessare mit zusätzlichem Beckenbodentraining verbessern wahrscheinlich die senkungsspezifischen Symptome.“ Die Beweislage dafür wird als niedrig bis mittel eingestuft. Schuld an diesen Aussagen sind unter anderem die niedrigen Zahlen der Studienteilnehmer. Wir brauchen also mehr Studien da diesem wichtigen Thema! Was in der Übersicht auch angemerkt wird, ist sind die möglichen Nebenwirkungen von Pessaren.

Nebenwirkungen von Pessaren

Pessare können unterschiedlich angewandt werden. Einige werden von Urogynäkolog*innen eingesetzt und bleiben mehre Monate in der Scheide. Dann gibt es Pessare, meist aus medizinischem Silikon, die weich sind, und von den Frauen selbst regelmäßig (je nach Pessar täglich oder alle paar Tage) entfernt werden und über Nacht draußen bleiben, um dem Gewebe eine Pause zu geben.

Probleme, die auftreten können, sind z. B.:

  • Vermehrter Vaginalausfluß,
  • Blutungen,
  • Schmerzen,
  • Probleme mit Blasen-, Darmentleerung,
  • Entzündungen und Infektionen,
  • Druckstellen an der Schleimhaut bis hin zu Geschwüren.

Das Risiko für Komplikationen wird reduziert, indem das Pessar regelmäßig entfernt und gereinigt wird. Außerdem sollte regelmäßig (bei Selbstmanagement reicht meist jährlich) eine Untersuchung der Schleimhaut bei Gynäkolog*innen gemacht werden. Vor allem die schlimmeren Komplikationen treten bei vergessenen Pessaren auf (die teilweise jahrelang in der Scheide bleiben). In England wurden letztes Jahr Leitlinien entwickelt die international anerkannt sind und sehr gute Informationen enthalten rund um das Thema Pessare in der konservativen Behandlung bei Senkungen.

Helfen Pessare?

Aus Studien bekommen wir im Moment noch wenig Informationen darüber. Wir wissen, dass Pessare allein nicht so effektiv sind wie Pessare in Kombination mit Beckenbodentraining und auch Alltagsmanagement ist wichtig. Bei Senkungen geht es vor allem darum was die Frau spürt und nicht darum was wir messen. Wenn also ein Pessar die Symptome verbessert und eine Frau mit ihrem Pessar wieder ihre Ziele erreichen kann (wie Sport machen, ihr Kind heben, den Haushalt oder Arbeitsalltag meistern etc.), dann hilft es!

Welches Pessar ist das richtige?

Es gibt sehr viele verschiedene Pessartypen in unterschiedlichen Größen. Um ein passendes Pessar zu finden, sollte eine Anpassung gemacht werden. Bei einer Untersuchung beurteilen spezialisierte Ärzt*innen oder Beckenbodenphysiotherapeut*innen welches Pessar passen könnte. Das wird dann ausprobiert, also eingesetzt und die Frau kann dann ausprobieren beim Gehen, Hüpfen etc. ob es hilft. Oft müssen verschiedene Pessare ausprobiert werden, bis eines gut hält, bequem ist und von der Frau eingesetzt und entfernt werden kann. Es ist vergleichbar mit dem Kauf von Schuhen: Erst mal müssen wir die Größe finden und dann ausprobieren welche passen und bequem sind. Manchmal braucht es auch mehrere Anläufe bis alles passt und eine gute Beratung kann bei einer Anpassung viel wert sein.

Wichtige Punkte der Pessartherapie

  • Ein Pessar kann bei allen Graden einer Beckenorgansenkung helfen die Position der Organe zu korrigieren (solange sie getragen werden). 
  • Symptome können gelindert oder behoben und die Lebensqualität verbessert werden, vor allem wenn die Verwendung von Pessaren mit Beckenbodentraining kombiniert wird.
  • Laut einer Studie von 2019 aus England kann bei den meisten Frauen, die diese Behandlung wollen, erfolgreich ein Pessar angepasst werden. Eine Beratung durch erfahrene Spezialist*innen ist ausschlaggebend für den Erfolg.
  • Regelmäßige (meist jährliche) gynäkologische Untersuchungen sind wichtig, um sicherzustellen, dass die vaginale Schleimhaut gesund bleibt. Nach den Wechseljahren ist oft die Anwendung von Östrogensalben sinnvoll.
  • Das Selbstmanagement, also regelmäßiges Entfernen und Reinigen, reduziert das Risiko für Komplikationen.
  • Ein ideales Alter gibt es nicht. Die wichtigeren Fragen sind: hilft das Pessar die Symptome zu reduzieren und kommen die Frauen damit gut zurecht.
  • Pessare können täglich getragen werden, um eine Senkung zu stützen. Einige Frauen nutzen sie auch präventiv, wenn Risikofaktoren bekannt sind. Andere tragen ihr Pessar nur in bestimmten Zeiten, z. B. beim Sport oder in einer Situation, in der es zu Symptomen kommt.

 

Quellen und Literatur:

Weintraub, A. Y., Glinter, H., & Marcus-Braun, N. (2020). Narrative review of the epidemiology, diagnosis and pathophysiology of pelvic organ prolapse. International braz j urol : official journal of the Brazilian Society of Urology, 46(1), 5–14. https://doi.org/10.1590/S1677-5538.IBJU.2018.0581

Haylen, B.T., Maher, C.F., Barber, M.D., Camargo, S., Dandolu, V., Digesu, A., Goldman, H.B., Huser, M., Milani, A.L., Moran, P.A., Schaer, G.N. and Withagen, M.I. (2016), An International Urogynecological Association (IUGA) / International Continence Society (ICS) Joint Report on the Terminology for Female Pelvic Organ Prolapse (POP). Neurourol. Urodynam., 35: 137-168. https://doi.org/10.1002/nau.22922

Friedman, T., Eslick, G.D. & Dietz, H.P. Risk factors for prolapse recurrence: systematic review and meta-analysis. Int Urogynecol J 29, 13–21 (2018). https://doi.org/10.1007/s00192-017-3475-4

Bugge C, Adams EJ, Gopinath D, Stewart F, Dembinsky M, Sobiesuo P, Kearney R. Pessaries (mechanical devices) for managing pelvic organ prolapse in women. Cochrane Database of Systematic Reviews 2020, Issue 11. Art. No.: CD004010. DOI: 10.1002/14651858.CD004010.pub4. 

UK Clinical Guideline for best practice in the use of vaginal pessaries for pelvic organ prolapse March 2021:https://www.ukcs.uk.net/resources/Documents/Pessary%202021/UK%20Clinical%20Guideline%20for%20pessary%20use%20.pdf

Cheung RY, Lee JH, Lee LL, Chung TK, Chan SS. Vaginal Pessary in Women With Symptomatic Pelvic Organ Prolapse: A Randomized Controlled Trial. Obstet Gynecol. 2016 Jul;128(1):73-80. doi: 10.1097/AOG.0000000000001489. PMID: 27275798.

 Lone FW, Palmer J (2019) Predictors of successful fitting of vaginal pessary for female pelvic organ prolapse. J Gynecol Res Obstet 5(1): 017-021. DOI: 10.17352/jgro.000064

Dieser Beitrag wurde von der wunderbaren Alexandra Schäfer geschrieben und zur Verfügung gestellt: https://becken-balance-physiotherapie.de

Alexandra Schäfer, Beckenboden Physiotherapeutin

Alexandra Schäfer, Physiotherapeutin für Beckenbodengesundheit

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